In Berlin und Brandenburg haben mehrere Initiativen über Jahre erfolgreich für eine Mobilitätswende gekämpft. Die aktuellen Regierungsparteien wollen nun teilweise die Errungenschaften durch die Bürger*innen wieder rückgängig machen. Ein fatales Signal für den Klimaschutz, aber auch für die Demokratie.
Ernüchternd. Anders kann man den Umsetzungsstand des Mobilitätsgesetzes in Berlin nicht beschreiben. Das Monitoring von Changing Cities e.V. zeigt, dass zum Beispiel nur 4,5 Prozent des Gesamtradwegenetzes von fast 3.000 km innerhalb der ersten fünf Jahre erstellt wurden. Doch anstatt das Ausbautempo zu beschleunigen, hat die aktuelle Regierung eine Novelle eingebracht, die eine sichere und klimaverträgliche Mobilität in Berlin weiter ausbremst. Dazu gehört, dass der Vorrang von ÖPNV sowie Fuß- und Fahrradverkehr gegenüber dem motorisierten Individualverkehr aus dem Gesetz gestrichen wird. Dabei war dieser Paradigmenwechsel einer der größten Erfolge der Initiative „Volksentscheid Fahrrad“, die innerhalb weniger Wochen rund 100.000 Unterschriften sammelte und so die Mobilitätswende in Berlin mehrheitsfähig machte. Die Errungenschaft inspirierte andere Initiativen und führte bundesweit zu über 50 sogenannter Radentscheide.
Auch in Brandenburg haben engagierte Bürger*innen mit einer Volksinitiative eine Mobilitätswende eingeleitet. Nachdem das Bündnis "Verkehrswende Brandenburg jetzt!" im Januar 2021 über 28.500 Unterschriften im Landtag einreichte, wurde gemeinsam mit dem Verkehrsministerium ein Gesetz für eine klimaverträgliche und sozial gerechte Mobilität in allen Teilen Brandenburgs erarbeitet. Doch der im Juli 2023 vorgestellte Kompromiss droht zu scheitern. Im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens wurden entscheidende Punkte wieder aus dem Gesetz gestrichen. Dazu gehören Ziele wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie ein barrierefreier ÖPNV. Ohne diese Festschreibungen ist für die Initiative nicht erkennbar, wie der Anteil der „umweltverträglichen“ Verkehrsmittel bis 2030 auf 60 Prozent erhöht werden kann.
Vertrauen in die Demokratie stärken
Die Mobilitätsgesetze in Berlin und Brandenburg offenbaren die Chancen, aber auch die Tragik der direkten Demokratie. Zum einen zeigen sie, dass Veränderungen durch die Bürger*innen angestoßen werden können. Zum anderen werden die Erfahrungen von Selbstwirksamkeit von der parlamentarischen Politik durch die Rückabwicklung wieder geschmälert. Bei dem derzeitigen Aufwind demokratiefeindlicher Kräfte sollte jedoch das Vertrauen in die Demokratie gestärkt und nicht weiter belastet werden. Dazu muss die Politik für einen fairen Interessenausgleich sorgen und die Ergebnisse von direkt-demokratischen Verfahren sowie Beteiligungsprozessen umsetzen.
Druck aus der Zivilgesellschaft
In Berlin und Brandenburg setzen mehrere Verbände die aktuellen Regierungsparteien durch Kampagnenarbeit unter Druck, um eine Rückwärtsrolle bei der Mobilitätswende zu verhindern. In Brandenburg wird das Mobilitätsgesetz am 12. Oktober 2023 im Verkehrsausschuss des Landtages und danach im Parlament beraten. Einwohner*innen können die Abgeordneten in ihrem Landkreis bis zum 10. Oktober 2023 einen Brief oder eine E-Mail schreiben und sie auffordern, sich für ein starkes Mobilitätsgesetz einzusetzen. Der VCD Brandenburg hat dazu ein Musterschreiben sowie eine Kontaktliste der Abgeordneten vorbereitet.
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