Vor genau zwei Jahren startete der Bürgerrat Klima. 160 zufällig ausgeloste Menschen besprachen dort, wie die Klimapolitik der kommenden Bundesregierung (im Herbst 2021 standen Wahlen an) aussehen sollte. Gerade werden solche Bürgerbeteiligungsverfahren häufig thematisiert, denn: Der Bundestag beauftragt noch in diesem Jahr den ersten offiziell von der Politik einberufenen Bürgerrat. Im Mai wird das Thema bekanntgegeben. Gleichzeitig fordern die Aktivist*innen der Letzten Generation einen ‚Gesellschaftsrat‘, der dem Bürgerrat Klima recht ähnlich ist. Schauen wir als zurück: Was war der Bürgerrat Klima und warum sind solche Formate auch in Zukunft noch wichtig? Mareike Menneckemeyer wurde zufällig für den Bürgerrat ausgelost. Mit uns teilt sie ihren persönlichen Rückblick:
Der Bürgerrat Klima hat mein Leben verändert. Das klingt melodramatisch? Ich erkläre gern, warum
von Mareike Menneckemeyer, Teilnehmerin Bürgerrat Klima
Vor zwei Jahren fand die erste (digitale) Sitzung des Bürgerrat Klima statt. Zufällig wurde ich dafür ausgelost. Ich hatte es mir also auf der Couch gemütlich gemacht und die Kinder beim Papa in die Obhut gegeben. Der Rechner stand bereit. "Schauen wir uns das mal an", dachte ich mir relativ skeptisch. Doch schon der erste Beitrag von Prof. Stefan Rahmstorf fesselte mich. Ich lernte: Anders als in meinem Wohnzimmer macht beim Klima das eine Grad mehr sehr wohl einen Unterschied. Es hat dramatische Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. „Da muss man doch was machen!“ war meine Reaktion. Und das haben wir dann.
In 12 Sitzungen haben wir, die 160 Teilnehmenden aus ganz Deutschland, gehört, gelernt, diskutiert und schließlich Empfehlungen an die nächste Regierung erarbeitet. Es gab Streit, unterschiedliche Standpunkte und manchmal das Gefühl, dass wir nie zu einer Einigung kommen werden. Aber das Ziel war klar: Wir brauchen sozial verträgliche Klimapolitik, die uns zukunftsfest macht. Wenn wir es nicht schaffen uns zu einigen, wie soll es dann das ganze Land schaffen? Also blieben wir am Ball. Es war nicht immer einfach. Ich verkniff mir häufig Kommentare, wenn wieder wer mit seinem Stammtischgerede kam. Manchmal regte ich mich dann aber doch auf. Aber ich erinnere mich auch an viele nette Gespräche und den Austausch vor und nach den Sitzungen. Die machten Mut. Wir sprachen dort vom Einfluss des Bürgerrates auf unser Leben und verarbeiteten die Diskussionen der letzten Sitzung.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Sitzung bei der wir Besuch von den Parteien hatten. Ein*e Vertreter*in jeder Partei hat sich dort unseren Fragen gestellt. Das war ein Wechselbad der Gefühle in diesem Gespräch! Einige waren so offen und ehrlich, haben zugehört, Rückfragen gestellt und Motivation gezeigt. Und bei anderen hatte man den Eindruck, dass sie der Einladung gefolgt waren, um zu zeigen „Guck, wir machen das ja schon, das mit dem Klima“. Aber am Gesicht las man ihnen teilweise ab, dass sie uns und unsere Arbeit nicht ernst (genug) nehmen.
Und am Ende standen da dann die Empfehlungen, die wir uns erkämpft hatten.
Für mich persönlich war das Größte, zu sehen wie sie in die Welt hinaus gingen. Bilder von Spitzenpolitikern mit dem Gutachten in der Hand haben mich stolz gemacht. Und jedes Mal dachte ich: Wird es etwas bewegen? Wird es Ansporn sein? Wird es inspirieren? Finden wir davon etwas in der neuen Regierungspolitik wieder?
Auch hier gab es Ernüchterung. Ich hätte mir gewünscht, häufiger vom Bürgerrat zu lesen, von dem was wir da zu Wege gebracht haben. Lob, gerne aber auch Kritik für die Empfehlungen und eine Aussicht wie es hiermit nun weiter geht. Dass es so wenig Reaktion „von außen“ gab, hat mir aber nur gezeigt, dass die Arbeit noch nicht vollständig ist.
Nach der Pressekonferenz mit unserem Schirmherr, dem Bundespräsidenten a. D. Horst Köhler habe ich viele Interviews gegeben - für Zeitungen, Podcasts und Bücher. Ich habe im Freundes- und Bekanntenkreis Vorträge über meine Zeit beim Bürgerrat gehalten und auf das Thema Klimawandel aufmerksam gemacht. Mich mit Menschen gestritten und diskutiert. Ich werde nicht müde zu sagen, dass sicher die großen Entscheidungen in der Politik getroffen werden müssen, aber wir die Wege auch mitgehen müssen. Und das jeder selbst seinen Beitrag nicht nur leisten kann, sondern leisten muss!
Ich gebe zu, manchmal ist es ermüdend. Wenn ich zum Beispiel sehe, welche Entscheidungen gerade getroffen werden möchte ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Erst macht man viel zu wenig und dann versucht man plötzlich eine Flutwelle durch einen Flaschenhals zu pressen. Man schaut nicht links und nicht rechts auf die Menschen, die betroffen sind, sondern folgt Aktionismus, um entweder Umfragewerten oder Stammwählern hinterher zu laufen. Wir haben so lange geschlafen, dass wir jetzt versuchen die Welt in einer Woche zu retten. Das wird nicht funktionieren. Aber es tut sich endlich was. Und das ist gut. Und keiner kann von heute auf morgen die perfekte Lösung finden und es dabei allen Recht machen. Es wird und es muss weh tun.
Ich jedenfalls gebe nicht auf. Ich glaube daran, dass die Bürger*innen dieses Landes den Weg mitgehen, wenn sie wissen was auf dem Spiel steht. Und wie bei mir selbst scheint dabei Aufklärung das Wichtigste. Der Klimawandel muss noch greifbarer werden, die Folgen vor Augen geführt werden – denn das geht uns alle an.
Knapp zwei Jahre nach dem Bürgerrat habe ich diese Aufgabe zumindest für meine Heimatgemeinde übernommen. Als ehrenamtliche Umweltbeauftragte ist mein Ziel, mein Wissen zu teilen und Verständnis für die Veränderungen zu bringen, die auf uns alle zukommen werden. Denn das werden sie, egal ob wir nun die Augen verschließen oder nicht. Das Thema Klima- und Umweltschutz geht uns alle an, und nur wenn alle mitmachen können wir die Veränderung sein und schaffen.
Von der Politik wünsche ich mir für die Zukunft: Arbeitet parteiübergreifend an der Rettung unseres Lebensraums, so wie wir es auch im Bürgerrat Klima getan haben. Nehmt dabei unbedingt Rücksicht auf diejenigen in unserem Land, die es sowieso schon schwer haben. Denn sie dürfen nicht die Verlierer der Klimapolitik sein. Wir wissen, die Herausforderung ist groß. Wenn ihr Unterstützung braucht, werft gerne nochmal einen Blick in unser Bürgergutachten. Für Erläuterungen stehen wir bereit.
Der Bürgerrat Klima, 26. April - 23. Juni 2021
160 Bürgerinnen und Bürger, zufällig ausgelost nach Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildungsstand und Migrationshintergrund. Gemeinsam diskutierten sie über mögliche Maßnahmen zum Umgang mit der Klimakrise. Aufgrund der Pandemie fand der Bürgerrat Klima digital statt. Die finalen Ergebnisse wurden im Bürgergutachten veröffentlicht und, pünktlich zur Bundestagswahl, an die Spitzenpolitik überreicht. Es enthält konkrete Empfehlungen für die zukünftige Klimapolitik der Bundesrepublik Deutschland, genauer gesagt: Empfehlungen, wie Deutschland die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens noch erreichen kann – unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Gesichtspunkte. Denn die Weichenstellungen in der Klimafrage müssen von allen mitgetragen werden.
Mehr Infos: buergerrat-klima.de