Bürgerrat Klima meets Koalitionsvertrag: Wie viel Bürgerwille steckt in der Klimapolitik der neuen Regierung?

  28. April 2025 Aktuelles

Vor knapp vier Jahren übergab der Bürgerrat Klima den damaligen Kanzlerkandidat*innen ein umfassendes Gutachten, welches in zwölf Sitzungen von 160 zufällig ausgelosten Bürger*innen erarbeitet wurde. Auch bei der Bildung der zukünftigen Regierung lohnt sich ein Blick auf die Empfehlungen des Mini-Deutschlands: Inwiefern stimmen die Pläne der kommenden Bundesregierung mit den Empfehlungen des Bürgerrates Klima überein?

2021 erarbeitete der Bürgerrat Klima über 90 Empfehlungen mit dem Ziel, der kommenden Bundesregierung eine Hilfestellung zu sein: Von einem Querschnitt der deutschen Bevölkerung erarbeitet wurde im Prozess deutlich, welche Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland auf breite Zustimmung stoßen könnten und welche eher weniger geeignet wären. Wir haben uns die vier verschiedene Handlungsfelder Energie, Mobilität, Gebäude und Wärme sowie Ernährung genauer angeschaut und stellen fest: Besonders in den Bereichen Energie und Mobilität zeigen sich Schnittmengen mit dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU, allerdings meist mit deutlichen inhaltlichen Abweichungen zu den Empfehlungen des Bürgerrates.

Energie

Im Bereich Energie empfiehlt der Bürgerrat einen schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien und damit einhergehend mehr Flächen für Windkraft und Photovoltaik. Zudem sollen Bürger*innen stärker in die Energiewende einbezogen werden.

Zwar betont auch die künftige Bundesregierung die Bedeutung erneuerbarer Energien, jedoch fehlen verbindliche Angaben, wie viel Fläche für sowohl Windkraft- als auch PV-Anlagen zur Verfügung gestellt werden soll. Zudem wird die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien nur als „perspektivisch“ beschrieben. Auch der Kohleausstieg bleibt weiterhin für 2038 vorgesehen und nicht wie vom Bürgerrat gefordert schon für 2030.

Beim Thema Bürger*innenbeteiligung in der Energiewende, wird zwar erwähnt, dass Verbraucher*innen stärker miteinbezogen werden sollen, z.B. durch Bürgerenergie, jedoch ist von keinen weiteren Beteiligungsmöglichkeiten die Rede. Stattdessen sollen Kommunen mehr in die Planung miteinbezogen werden.

In Bezug auf negative Emissionen setzt der Koalitionsvertrag auf technologische und unterirdische CO2-Speicherlösungen. Natürliche Speicher, z.B. Moore oder Wälder, wie sie der Bürgerrat vorschlägt, werden nicht erwähnt.

Mobilität

Auch beim Thema Mobilität unterscheidet sich der Koalitionsvertrag sehr stark von den Empfehlungen des Bürgerrates Klima. Zwar soll mehr in bestehende und neue Schienennetze und die Bahn investiert werden, was auch der Bürgerrat forderte, jedoch gibt es keine konkreten Ziele, in welchem Zeitraum dies geschehen soll. Auch das Tempolimit, welches zu den Empfehlungen des Bürgerrates gehört (wenn auch mit nur knapper Mehrheit), ist mit keiner Erwähnung im Koalitionsvertrag zu entdecken.

Ein besonders großer Gegensatz ist zudem beim Flugverkehr zu finden. Statt Flugreisen unattraktiver zu machen, wie es der Bürgerrat forderte, sollen die Steuern und Gebühren für den Flugverkehr gesenkt werden.

Gebäude & Wärme

Im Bereich Gebäude und Wärme setzt der Koalitionsvertrag größtenteils auf die Reform des Gebäudeenergiegesetzes, auch bekannt als Heizungsgesetz. Die vielfältigen Empfehlungen des Bürgerrates Klima, die von Finanzierungsansätzen über Informationskampagnen und Bürger*innenbeteiligung bis hin zu nachhaltiger Wärmeplanung reichen, werden dabei nicht berücksichtigt.

Beim Thema Materialien und Baustoffe geht der Koalitionsvertrag zwar in die Richtung der erarbeiteten Maßnahmen des Bürgerrates, doch auch hier fehlen konkrete Maßnahmen. Während die neue Regierung auf mehr Recycling-Baustoffe setzen möchte, forderte der Bürgerrat zusätzlich die Einführung einer Kreislaufwirtschaft und die Besteuerung nicht nachhaltiger Baustoffe.

Wir führen eine Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung ein, ermöglichen notwendige Anlagen für die verstärkte Nutzung von Recycling-Baustoffen. Wir werden einen Aktionsplan biobasierte Baustoffe und einen Aktionsplan energieintensive Baustoffe erstellen.“

Ernährung

Beim Thema Ernährung ist das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ähnlich ernüchternd. Der Koalitionsvertrag beinhaltet keinerlei Vorhaben zur Emissionsreduzierung in der Landwirtschaft und der Ernährung. Auch auf die Forderung nach einer klimafreundlichen und gesunden Ernährungsberatung wird nicht eingegangen.

Stattdessen werden lediglich die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und Anforderungen an die Qualität von landwirtschaftlichen Importen angesprochen.

Fazit

Insgesamt zeigt sich: Die Empfehlungen des Bürgerrates Klima werden im neuen Koalitionsvertrag nur in Ansätzen aufgegriffen – und das oft in abgeschwächter Form oder mit einer anderen Richtung. Obwohl die Empfehlungen im Bürgerrat Klima von großer Zustimmung getragen wurden, fehlt beim neuen Koalitionsvertrag ein klares politisches Bekenntnis zu dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen.

Auch die Ampelregierung hatte das Gutachten des Bürgerrat Klima vorliegen. Hier findet Ihr den Vergleich zwischen Bürgerrat Klima und dem Sondierungspapier der letzten Regierung. Während der letzten Legislaturperiode haben wir zudem mit Staatssekretär Dr. Patrick Graichen die laufende Klimapolitik mit den Empfehlungen abgeglichen. Die Aufzeichnung findet ihr hier.

Foto: Björn Obmann

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