Bei einer Bürgerbefragung* in Paris hat sich eine knappe Mehrheit für eine Verdreifachung der Parkgebühren für schwere Stadtgeländewagen ausgesprochen. Ist die französische Hauptstadt damit ein Vorbild in Sachen Verkehrswende und Beteiligung?
Am Sonntag waren in Paris rund 1,3 Millionen Einwohner*innen zur Abstimmung "Mehr oder weniger SUV in Paris?" aufgerufen. Der Reformvorschlag kam aus der Stadtverwaltung. Demnach soll das Parken von SUVs und anderen schweren Autos im Zentrum zukünftig 18 Euro pro Stunde (statt bisher 6 Euro) kosten. Auch in den Außenbezirken sollen sich die Gebühren mit 12 Euro verdreifachen. Rund 54,5 Prozent der Pariser*innen stimmten für die Erhöhung der Parkgebühren, rund 45,5 Prozent dagegen. Damit hat sich eine knappe Mehrheit für eine umstrittene Maßnahme der Verkehrswende ausgesprochen. Allerdings beteiligten sich nur knapp sechs Prozent der Bürger*innen. Eine ähnlich schlechte Abstimmungsquote hatte die Bürgerbefragung über den Verbleib von E-Scootern im vergangenen Jahr.
*Bürgerbefragung/Volksbefragung
Die Bürgerbefragung in Paris ist unverbindlich: Jedoch hatte die Bürgermeisterin Anne Hidalgo vorher zugesagt, das Ergebnis zum Verbleib der E-Scooter sowie zur Erhöhung der Parkgebühren zu akzeptieren. Eine konsultative Volksbefragung ist in Deutschland auf Länderebene bisher nicht möglich, da sie zunächst in der Verfassung verankert werden muss. Aktuelle Diskussionen zur Einführung bzw. Anwendung von Volksbefragungen in Berlin und Sachsen hat Hermann K. Heußner, Professor für Öffentliches Recht, auf dem Verfassungsblog eingeordnet.
Alternativen: Themensetzung von unten
Grundsätzlich sind Vorschläge im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung sowie eine Beteiligung der Bürger*innen zu begrüßen. Doch eine "von oben" ausgelöste Bürgerbefragung birgt Gefahren: Politik und Verwaltung entscheiden einseitig über Thema, Formulierung und Zeitpunkt der Abstimmung. Das Ergebnis ist zudem nicht verbindlich und kann im Nachhinein ausgehebelt werden. Besser wäre die Themensetzung "von unten" durch Bürgerbegehren oder die Kombination aus Bürger*innenrat und Ratsreferendum.
Ein Bürger*innenrat kann durch das Losverfahren und die repräsentative Zusammensetzung der Teilnehmer*innen mehrheitsfähige Antworten auf kontroverse Fragestellungen finden. Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen tauschen sich aus und entwickeln konsensfähige Maßnahmen. Das hat schon vielfach in Deutschland funktioniert – nur muss die Politik die Ergebnisse auch umsetzen. Ein Ratsreferendum (kommunale Ebene) oder eine Volksabstimmung (auf Landesebene) im Anschluss kann für eine breite Akzeptanz und den nötigen Druck "von unten" sorgen.
Der Klima-Bürger*innenrat in Berlin hat im Jahr 2022 beispielsweise 47 Handlungsempfehlungen für die Politik ausgearbeitet. Wie wäre es gewesen, wenn alle Bürger*innen der Stadt im Anschluss über die empfohlenen Maßnahmen wie die Ausweitung der Tempo-30-Zonen oder auch autofreie Tage verbindlich abgestimmt hätten? Zum einen wäre die Aufmerksamkeit für den Bürger*innenrat deutlich höher und damit auch der öffentliche Diskurs lebhafter gewesen. Zum anderen hätten sich mindestens ähnlich viele Menschen wie an Volksentscheiden (um die 30 Prozent) beteiligt.
Fazit
Die Bürgerbefragung zur Erhöhung der Parkgebühren in Paris kann der Auftakt zu einer konstruktiven, öffentlichen Debatte über die Weiterentwicklung der Demokratie in Deutschland sein. Insbesondere die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn möglichst viele Menschen in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Bisher scheitern viele notwendige Reformen jedoch an Widerständen und Passivität. BürgerBegehren Klimaschutz e.V. plädiert für neue Ansätze wie die Kombination von Bürger*innenrat und direkter Demokratie und erprobt dies aktuell in einem Modellprojekt mit Mehr Demokratie e.V. auf kommunaler Ebene. Die ersten Zwischenergebnisse – zum Beispiel im Hinblick auf die Entwicklung der Abstimmungsfrage und das Beteiligungsquorum – werden 2025 erwartet.
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