Brennende Fragen zu flüssigem Erdgas

Als BürgerBegehren Klimaschutz verfolgen wir bereits seit mehreren Jahren das Thema Erdgas. Schon im von uns mitgeschriebenen Hintergrundpapier "Am Klimaschutz vorbei geplant - Klimawirkung, Bedarf und Infrastruktur von Erdgas in Deutschland" haben wir dargelegt, dass Erdgas eine Klimawirkung haben kann, die so stark ist wie bei Kohle. Der Ausbau weiterer Infrastruktur ist insofern alles andere als eine gute Übergangslösung hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung. Genau das geschieht aber seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durch den beschleunigten Bau von LNG-Terminals in Norddeutschland. Die brennenden Fragen zu LNG und den Möglichkeiten von Bürger*innen, dagegen vorzugehen, möchten wir hier beantworten. 

  • Was bedeutet LNG eigentlich?

    LNG steht für "Liquified Natural Gas" und bezeichnet verflüssigtes Erdgas, das sich zu 98% aus Methan zusammensetzt. Durch Abkühlen auf Temperaturen um die -162°C wird es in flüssige Form überführt, was den Transport über große Entfernungen ermöglicht. Am Zielhafen muss LNG wieder erwärmt werden, um es in die Erdgasleitungen einzubringen. LNG ist insbesondere aus zwei Gründen klimaschädlich: 1. Methan ist ein Gas, das bis zu 20 mal stärker den Treibhauseffekt hervorbringt. Im Transport kann es durch Lecks entweichen. 2. Das aus den USA gelieferte LNG wird durch Fracking gewonnen, eine Methode, bei der Gesteine durch Chemikalien, Sand und Wasser aufgebrochen wird. Einer Studie der Cornell University zufolge ist ein Drittel des Anstiegs von Methanemissionen auf den Fracking-Boom der USA der letzten Jahre zurück zu führen. Auch bei dem für 2026 vorgesehenen Umstieg auf LNG-Quellen aus  Katar ist deutlich: der Ausbau von LNG-Terminals bedeutet das Zuschnappen einer fossilen Falle. Hierfür wird etwa noch ein neues Gasfeld erschlossen. Insofern sollte LNG eigentlich für "Leider Nicht Geil" stehen.

    NDR: LNG - Fakten zu Flüssiggas und Projekten in Norddeutschland

    Greenpeace: Fracking - eine unterirdisch schlechte Idee

    DUH: LNG - Aktuell

  • Wie ist der aktuelle Stand des Terminalausbaus?

    Der beschleunigte Ausbau von Importterminals für Flüssigerdgas wurde im Mai 2022 nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung beschlossen. Nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) sollen für Deutschland langfristig drei feste Terminals gebaut werden, durch die bis 2043 LNG importiert werden kann. Um die Einfuhr zu beschleunigen, wurden im letzten Winter bereits drei schwimmende Terminals in Norddeutschland in Betrieb genommen: in den Bundesländern Niedersachsen (Wilhelmshaven I, Dez. 2022), Mecklenburg-Vorpommern (Lubmin, Jan. 2023) und Schleswig-Holstein (Brunsbüttel, Jan. 2023). Bei diesen schwimmenden Terminals handelt es sich um Schiffe, die das angelandete LNG erwärmen und regasifizieren. Geplant sind noch drei weitere dieser sogenannten FSRUs (Floating Storage and Regasification Units): In Wilhemlshaven kommt am selben Standort ein zweites FSRU dazu, und in Stade und Mukran entstehen noch zwei zusätzliche Standorte für LNG-Terminals. Dabei ist Stade ein Sonderfall, denn das dortige Projekt der Hanseatic Energy Hub soll nicht ins LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) geschrieben werden. Das dort geplante feste Terminal soll ab 2027 startbereit sein und könnte noch länger als bis 2043 in Betrieb bleiben. Mukran ist der letzte ins LNGG aufgenommene Standtort. Von diesem Hafen der Insel Rügen soll das gelieferte Erdgas durch den Greifswalder Bodden ins nationale Gasnetz eingespeist werden, das zuvor von den Pipelines North Stream 1 und 2 beliefert wurde. Vor Lubmin, dem früheren Anlandungspunkt von North Stream, hat der Bau der Anbindungspipeline für das Rügener Flüssigerdgas-Terminal bereits begonnen.

    Bundesministerium für Justiz: LNG-Beschleunigungsgesetz

    DUH: Pressemitteilung - LNG-Terminal in Stade soll unbefristet mit fossilem Gas betrieben werden

    Tageblatt: LNG-Protest in Stader Innenstadt fällt deutlich kleiner aus

    heise online: Bau der Anbindungspipeline für Rügener LNG-Terminal gestartet

  • Ist der Ausbau von neuer Erdgasinfrastruktur notwendig?

    Aktuell wird Erdgas noch für die Strom- und Wärmeproduktion sowie als Kraftstoff und in der Industrie verwendet. Laut der Bundesregierung sei der Ausbau von LNG-Terminals deshalb notwendig, weil der Energiebedarf des Landes nach dem Lieferstopp russischen Erdgases nicht anders zu decken sei. Die weitere Nutzung von Erdgas soll als Übergangslösung bis zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien dienen. Es sei „zumindest weniger schädlich als Kohle“, so die Regierung. Laut Ergebnissen von Studien des NewClimate Institutes und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeichnet sich jedoch ein anderes Bild ab. Darin heißt es, der Bau von LNG-Terminals sei nicht zwingend nötig, wenn weiterhin die Einsparbemühungen eingehalten würden. Zwar seien wir aktuell noch auf LNG-Importe von Nachbarländern angewiesen, jedoch würden die drei schwimmenden Terminals völlig ausreichen. Zum Füllstand der Gasvorräte äußert sich die Bundesnetzagentur so, dass die Lage bereits besser ist als im letzten Jahr. Der Speicherstand ist fast bei 95%, was die Gasversorgung der Gebäude im Winter absichert. Als Argument dafür, dass LNG zur Erdgasversorgung in Deutschland gebraucht wird, reicht die genannte Gasmangellage also nicht.

    Bundesregierung: LNG-Beschleunigungsgesetz - Flüssiggas-Anbindungen schneller bauen

    Bundesnetzagentur: Aktuelle Lage der Gasversorgung in Deutschland

    NewClimate Institute: Pläne für deutsche Flüssiggas-Terminals sind massiv überdimensioniert - Kurzstudie

    DIW: Energiewirtschaftliche und industriepolitische Bewertung des Energie- und Industrieprojekts Mukran mit dem Bau von LNG-Infrastruktur und Pipelineanbindung nach Lubmin - Politikberatung kompakt

    Klimareporter: Feste LNG-Terminals sind überflüssig

    Artelys: Does phasing-out Russian gas require new gas infrastructure? Briefing note

  • Was bedeutet der Terminalbau für die Umwelt?

    Das naturschutzsfachliche Hintergrundpapier von NABU,BUND,DUH und WWF zeigt, dass die bevorstehenden Bauarbeiten zur Anbindungspipeline vor Rügen erhebliche Konsequenzen für das Ökosystem des Greifswalder Boddens haben könnten. Zu den betroffenen Lebewesen zählen geschützte Seevögel, verschiedene Fischarten sowie die gefährdeten Kegelrobben und der vom Aussterben bedrohte Schweinswal. Angesichts der grenzüberschreitenden Ausdehnung des Ostsee-Ökosystems besteht zudem die Gefahr, dass die Pipeline die Biodiversität in den angrenzenden Ländern Polen, Schweden und Dänemark gefährdet. Für das Klima ist der Ausbau von LNG-Infrastruktur

    DUH, BUND, NABU, WWF: LNG-Planungen Rügen - Hintergrundpapier zur Belastung von Natur und Umwelt

    DUH: Meeresschutzgebiete in Gefahr - Pressemitteilung

    NABU: LNG-Terminal vor Rügen bedroht Natur und Umwelt

  • Wie gehen die Menschen vor Ort gegen LNG vor?

    An allen Standorten gibt es Widerstand von Einwohner*innen, Umweltschutzorganisationen, lokalen Initiativen und anderen Akteur*innen. Dabei stehen neben dem durch die Schiffe ausgelösten Lärm, der Sorge um Tourismusabwanderung vor allem auch Bedenken bei den Umweltauswirkungen im Mittelpunkt der Kritik. Am Beispiel vom geplanten LNG-Terminal bei Rügen zeigt sich die fehlende Akzeptanz insbesondere aufgrund der mangelhaften Beteiligung der Menschen vor Ort. Hier versuchen Einige mittels direkter Demokratie gegen die Pläne der Bundesregierung vorzugehen. In Binz ging der Vorstoß zu einem Bürgerentscheid vom Bürgermeister und vom Tourismusdirektor aus. Hier wurde der Plan gefasst, durch die Gemeinderäte auf Rügen Bürgerentscheide "von oben" durchzuführen, sogenannte Vertreterbegehren, bei denen die Bürger*innen zur Abstimmung über den Terminalbau gebeten werden. Eine passende Fragestellung wird derzeit juristisch ausgearbeitet. Eine Schwierigkeit ist hier, dass der Gemeinde die direkte Mitsprache über das Vorhaben durch das LNG-Gesetzes auf Bundesebene entzogen wurde. Insofern reichte die Gemeinde Binz auch mehrere Klagen gegen den Bau des im Hafen von Mukran angedachten Terminals ein. In der Gemeinde Sassnitz, zu der der Hafen Mukran gehört, ist die Aussicht auf Erfolg größer, da der Hafen als kommunales Unternehmen zu 90% der Stadt gehört. Nachdem ein erstes Bürgerbegehren von "Wir für Rügen" als formal unzulässig abgelehnt wurde, startete die Initiative ein zweites mit einer juristisch geprüften Fragestellung. Darin wird über die Unternehmensbeteiligung der Stadt gefordert, dass der Fährhafen Sassnitz GmbH angewiesen wird, keinen Geschäftsabschluss zum Errichten und Betreiben einer LNG-Infrastruktur einzugehen. Die am 5. September eingereichten Unterschriftenlisten werden seitdem von der Stadtverwaltung geprüft. Die Initiative hat in dem Zusammenhang auch eine öffentliche Informationskampagne in Hinblick auf den erwarteten Bürgerentscheid gestartet.

    Ostsee-Zeitung: LNG-Debatte auf Rügen

    ZDF: Binz klagt gegen Rügener LNG-Terminal

    heise online: Bau der Anbindungspipeline für Rügener LNG-Terminal gestartet

    Taz: Ende auf dem Erdgas-Gelände

  • Wie geht der Kampf gegen die LNG-Terminals weiter?

    Das Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat erst kürzlich Beschwerde bei der UN eingereicht, um den sofortigen Stop des LNG-Terminals vor Rügen zu bewirken. Darauf reagierte diese mit der Einleitung einer rechtlichen Untersuchung gegen die Bundesregierung. Eine Ende Februar gegen das Terminal vor Rügen gestartete Petition beim deutschen Bundestag erreichte bis Anfang März das erforderliche Quorum von 50.0000 Unterschriften. Der Petitionsausschuss des Bundestags stattete der Insel am 11. September 2023 einen Besuch ab. Aufgabe des Ausschusses ist es nun, kritisch zu prüfen, ob der Bundestag nochmals Änderungen am LNGG vornehmen sollte. Nicht zuletzt stehen auch noch die Bürgerentscheide auf Rügen an. Zwar sind die Standorte für LNG-Terminals jetzt bereits in einem Bundesgesetz verankert, allerdings können Gesetze auch wieder umgeschrieben werden. Das hat sich erst kürzlich an der Novellierung des LNGG gezeigt, durch die Mukran als Standort mit aufgenommen wurde. Um diese Novellierung und den Plan von festen Terminals rückgängig zu machen, braucht es den Willen der Bundesregierung. Denn da es sich bei dem LNGG um ein Bundesgesetz handelt, muss hier der Bundestag entscheiden. Bemühungen von Landes- oder Kommunalebene können hier dennoch entscheidenden Druck ausüben. Denn wenn durch Bürgerentscheide in den betroffenen Orten eine klare Ablehnung zum Ausdruck gebracht wird, dann wäre das für den Bundesminister für Klimaschutz eine klare demokratische Handlungsaufforderung.

    Rügener LNG-Terminal: Erste Rohre im Greifswalder Bodden

    DUH: Pressemitteilung - Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe gegen LNG-Pipeline vor Rügen

    Bundestag: Petitionen - Streit um LNG-Terminal

    Bundestag: Petition - Keine Aufnahme der geplanten LNG-Terminals vor der Küste Rügens

    Lebenswertes Rügen: Webseite

    Rügen Gegen LNG: Webseite

  • Was sind geeignete alternative Technologien der Wärmeversorgung?

    Die Wärmewende sollte vor allem kommunal angegangen werden, da vor Ort viele Wärmequellen bereits nutzbar sind und Wärme sich schwer über weite Strecken transportieren lässt. Zentral ist dabei das Instrument der Wärmeplanung, welches für eine Kommune zunächst alle Potenziale der Wärmeversorgung ermittelt. Im Anschluss werden kollektive Lösungen wie Wärmenetze und Gebäudesanierungen angegangen. Auch die Wärmepume ist eine Alternative, gerade wenn ein Gebäude nicht an ein Wärmenetz angeschlossen werden kann. Allerdings muss für Wärmepumpen Strom aufgewendet werden, der auch nachhaltig erzeugt werden sollte.

    Mehr zu den Technologien für erneuerbare Wärme: WÄRME. WISSEN. KOMPAKT.

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Foto: Wikimedia: "Demonstration against LNG vom Göhren to Sellin on Rügen 2023-05-28" von Leonhard Lenz Lizenz: CC0 1.0 Universal