Das Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (MIK) hat das Potsdamer Bürgerbegehren "Tschüss Erdgas!" für rechtlich zulässig erklärt. Das bestätigt den Ansatz vieler Initiativen, die via Bürgerbegehren den Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigen wollen.
Das Bürgerbegehren zur Energiewende in der Brandenburger Landeshauptstadt "Tschüss Erdgas" hat grünes Licht vom Ministerium des Inneren und für Kommunales (MIK) bekommen. Die Initiative hatte bereits vor Abgabe aller Unterschriften eine Prüfung auf Zulässigkeit bei der Stadt beantragt. Vonseiten der Stadt wurde als Gegenargument für die Zulässigkeit angegeben, dass die Forderungen nicht realisierbar seien, die Potsdamer Energieversorgung bis 2030 auf erneuerbare Energien umzustellen. Dem hatte die Initiative in ihrer Stellungnahme widersprochen. Anfang Oktober hat das MIK, das in dieser Sache entscheidet, der Initiative Recht gegeben. Die Stadt wiederum klagt nun gegen diese Entscheidung.
Die Stadt ist zuständig für die Entscheidung
Die Begründung des MIK ist aus zwei Gründen relevant für ähnliche Bürgerbegehren. Zum einen stellt es die Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung fest. Die Fragestellung bewegt sich nach Aussage des MIK im Rahmen dessen, wozu die Stadt tatsächlich eigene Beschlüsse fassen kann. Explizit wird gefordert, dass die Stadt "im Rahmen ihrer Unternehmensbeteiligung" die betreffenden Energieversorger "anweisen" soll, "ab 2030 keine fossilen Brennstoffe zur Produktion von Strom und Wärme in ihren Heizkraftwerken einzusetzen". Diese Formulierung ist für ein Bürgerbegehren problemlos zulässig.
Stadt- und Gemeindewerke haben aufgrund ihrer regionalen Verankerung und ihrer Ausrichtung am Gemeinwohl beste Voraussetzungen, um vor Ort erneuerbare Energien aktiv auszubauen. Bei kommunalen Stadtwerken bestimmt der Stadt- oder Gemeinderat die Geschäftspolitik mit. Verschiedene Ansätze für Bürgerbegehren zur Energie- und Wärmewende sowie rechtliche Formulierungsvorschläge findet ihr in unserem Handbuch "Klimawende von unten".
Fragestellung von "Tschüss Edgas"
“Soll die Stadt Potsdam im Rahmen ihrer Unternehmensbeteiligungen die Stadtwerke Potsdam GmbH und ihr Tochterunternehmen, die Energie und Wasser Potsdam GmbH anweisen, ab spätestens 2030 keine fossilen Brennstoffe zur Produktion von Strom und Wärme in ihren Heizkraftwerken einzusetzen und die dadurch wegfallenden Leistungen durch erneuerbare Energien oder durch unvermeidbare Abwärme oder durch Wärme aus Abwasser zu ersetzen, insbesondere durch den Aufbau eigener Wärme- und/oder Stromerzeugungsanlagen?"
Potsdamer Energiewende bis 2030 ist realisierbar
Der zweite Grund betrifft die Frage der Realisierbarkeit des Vorhabens, in der das MIK der Initiative Recht gibt. Diesbezüglich kritisierte die Stadt, dass den Bürger*innen durch eine unklare Formulierung der Fragestellung zusammen mit der gegebenen Begründung etwas “suggeriert” werde, was technisch nicht umsetzbar sei.
Hierzu schreibt das MIK, dass die Stadt die Frage der technischen Realisierbarkeit von der Frage trennen muss, ob der Technologiewechsel “bis 2030 finanziell, wirtschaftlich und aus sonstigen Gesichtspunkten effizient und sinnvoll ist.” Zur technischen Realisierbarkeit schreibt es, dass die Umstellung der Wärmeversorgung bis 2030 “aus heutiger Sicht [...] nicht objektiv ausgeschlossen” sei. In der Sachlage stellt sich das Ministerium also hinter die von der Initiative geschilderte Sicht.
Die darüber hinausgehende Frage, ob die technologische Umstellung im geforderten Zeitrahmen beschlossen werden soll, ist laut MIK eine “Strategieentscheidung”. Und eine solche fällt ebenfalls in die Entscheidungszuständigkeit der SVV. Insofern kann diese Entscheidung auch in einem Bürgerentscheid getroffen werden.
Klage der Stadt Potsdam
Die Stadt Potsdam klagt dennoch gegen die Entscheidung des MIK. Laut "Tschüss Erdgas" demaskiert sich die Stadt damit als undemokratisch, da es den Gestaltungswillen der Bürger*innen im Klimaschutz ablehnt. Nicolai Lorenz-Meyer von der Initiative betont: "Wir stehen weiterhin für einen Dialog mit der Stadt Potsdam zur Verfügung und sind bereit, gemeinsam an einer nachhaltigen und zukunftssicheren Lösung zu arbeiten." So wollen sie sich weiterhin für die von ihnen aufgezeigten alternativen Wärmetechnologien zum Erdgas in Potsdam einsetzen.
Bereits jetzt hat die Kampagne gangbare Wege zur Wärmewende durch direkte Demokratie aufgezeigt. Dass laufende Erdgaskraftwerke früher ausgeschaltet werden und die erneuerbaren Alternativen früher zum Einsatz kommen, kann durch ein Bürgerbegehren gefordert werden. Die Entscheidung des Brandenburger Innenministerium gibt diesem Ansatz Recht, obwohl das geforderte Ziel ambitioniert ist und die Stadt "nur" über eine Unternehmensbeteiligung Einfluss nehmen kann. BürgerBegehren Klimaschutz fordert die Stadt Potsdam auf, sich nicht weiterhin gegen demokratische Mitbestimmung im Klimaschutz querzustellen.
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